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Russlands Kriege und Europas Antworten | Putins Autokratie, Nationalismus und Sexismus zerstören die Ukraine und bedrohen liberale Demokratie und Freiheit weltweit - Rezensiert in der SZ von Matthias Kolb
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Russlands aggressiver Vernichtungskrieg gegen die Ukraine lässt sich nicht begreifen und stoppen, ohne den russischen Chauvinismus zu verstehen. Der speist sich aus nationalistischen und misogynen Ideen und dient dem autokratischen Putin-Regime zur Selbstlegitimation. Die chauvinistische Politik Russlands greift nicht nur die Ukraine an. Sie bedroht auch signifikante Teile der russischen Gesellschaft und will die auf Regeln und Werten basierende europäische Sicherheitsordnung zerstören. An ihre Stelle soll das Recht des Stärkeren, Aggressiv-Imperialen treten.
Der russische Chauvinismus betrachtet alles, was mit Liberalismus zu tun hat, als feindlich - und auch in Europa breitet sich diese Haltung aus. Sabine Fischer, Osteuropa-Expertin bei der renommierten Stiftung Wissenschaft und Politik, liefert uns einen ganz neuen Blick auf die Macht- und Expansionspolitik Russlands. Sie erklärt, wie aggressiver Nationalismus, misogyner Chauvinismus und Autokratie in Russland zusammenhängen, und wie Europa und die westliche Welt sich aufstellen müssen, um dem russischen Chauvinismus zu trotzen.
»Viele reden über Russland - Sabine Fischer kennt es von innen, besser als kaum jemand sonst in Deutschland. In luzider Analyse enthüllt sie den chauvinistischen Charakter seiner aggressiven Politik und seines Präsidenten. Wer Wladimir Putins zerstörerischen und selbstzerstörerischen Krieg verstehen will, muss dieses Buch lesen.« - Rüdiger von Fritsch
»Russlands Aggression gegen die Ukraine ist kein Krieg in Europa, sondern gegen Europa. Wer daran Zweifel hat, lese Sabine Fischers starkes Buch über die Ursprünge und Folgen von Putins chauvinistischer und revisionistischer Politik.« - Ivan Krastev
»Eine präzise, wunderbar geschriebene Analyse, die dank Fischers feministischer Perspektive endlich umfassend erklärt, warum der russische Angriffskrieg auf die Ukraine keine Überraschung war und was wir für die Zukunft lernen können. Ein Buch über Russland, das wirklich heraussticht.« - Alice Bota
»Mit diesem Buch, das Analyse und persönliche Erinnerungen miteinander verbindet, vermittelt Russlandexpertin Sabine Fischer einen tiefen Einblick in das gegenwärtige politische System Russlands und in die russische Gesellschaft. Konzeptionell innovativ und zugleich intuitiv führt sie anhand des Begriffs 'Chauvinismus' durch die Trias aus Nationalismus, Sexismus und Autokratie, die Russlands Positionierung gegenüber westlichen Lebensmodellen und den Weg in den Krieg gegen die Ukraine nachzeichnet und einen Blick in denkbare Zukünfte Russlands eröffnet.« - Gwendolyn Sasse
Putin-Bücher gibt es einige und nicht erst seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022. Doch die Analyse von Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik fügt den Deutungen eine durchaus treffende Facette hinzu. Demnach basiert das Regime des Kremlherrschers auf einem "extremen Männlichkeitskult". Der Hintergrund für Russlands Vernichtungskrieg ist demnach eine Mischung aus Nationalismus, Sexismus und Autokratie. Und diese Politik ist sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet - Europa und der Westen müssten sich hier stärker rüsten, denn Russlands Chauvinismus macht, wie man sieht, nicht an seinen Westgrenzen Halt.
Sabine Fischer deutet Putins Politik als chauvinistische Herrschaft, wo das Recht des Stärkeren dominiert. Und sie erklärt, wie Europa einen weiteren patriarchalen Gewaltzyklus vermeiden könnte.
Es gehört Mut dazu, in dieser Zeit ein weiteres Buch über Russland zu veröffentlichen. Seit Wladimir Putin die vollumfängliche Invasion der Ukraine befohlen hat, sind Dutzende Werke erschienen - und schon vor dem 24. Februar 2022 hatten sich viele Autoren und Expertinnen mit dem früheren KGB-Agenten beschäftigt, der faktisch seit dem Jahr 2000 an der Spitze der Atommacht steht.
Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik gelingt es dennoch, ein weiteres lesenswertes Buch vorzulegen. Sie findet nämlich eine klare Perspektive für "Die chauvinistische Bedrohung". Fischer definiert Chauvinismus als "übersteigertes Überlegenheitsgefühl einer Gruppe, verbunden mit Verachtung, Feindseligkeit und aggressivem Dominanzverhalten gegenüber Personen außerhalb dieser Gruppe." Dieser Begriff hilft ihr, die Hintergründe für Russlands Vernichtungskrieg zu analysieren: Nationalismus, Sexismus und Autokratie. Auf diesen Bausteinen basiere das Regime von Putin, um den ein "extremer Männlichkeitskult" aufgebaut wurde.
In Russland ist Gewalt stets ein legitimes Mittel
Für Fischer ist Gewalt in Russland allgegenwärtig. Laut der Frauenrechtlerin Aljona Popowa verhält sich die Staatsmacht "wie ein Schläger in der Familie". Die Täter werden geschützt, die Opfer verhöhnt. Dass die Opfer von häuslicher Gewalt in Russland durch kein Gesetz geschützt sind, sei kein Zufall: Dies würde zeigen, dass Gewalt kein legitimes Mittel ist. Als Feministin ist Fischer nicht nur davon überzeugt, dass das Private politisch ist. Es gelte auch: "Das Private ist international, und das Internationale ist privat." Sie argumentiert, dass private Machtbeziehungen nicht nur Nationalstaaten, sondern auch internationale Beziehungen prägen.
Bei einer Konferenz konnte die Politologin 2017 Putin fragen, was Russland im Umgang mit den USA und der EU falsch gemacht hat. "Unser größter Fehler in den Beziehungen mit dem Westen ist, dass wir Ihnen vertraut haben. Und Ihr Fehler war, dass Sie dieses Vertrauen als Schwäche ausgelegt und missbraucht haben", antwortete Putin. Russland glaubt also nicht mehr an die auf Regeln und Werten basierende europäische Sicherheitsordnung, sondern an das Recht des Stärkeren - und daher will Putin den Westen spalten.
Für Putin ist die Ukraine eine "Hure"
Dieses Misstrauen speist den wachsenden Nationalismus in Russland. Putin wolle die Reformen von Michail Gorbatschow rückgängig machen, schreibt Fischer. Sie kam 1992 als Studentin nach St. Petersburg und sah, wie radikal der Wandel war, wie die Hoffnung in die Demokratie zerplatzte und Gewissheiten zerbrachen. Dies traf vor allem Frauen. In der Sowjetzeit war ihr Anteil am Erwerbsleben höher als im Westen - aber auch in der UdSSR wurden Männer bevorzugt und für Kinder und Haushalt waren natürlich die Frauen zuständig.
Dass viele Russen in den Neunzigern den Zusammenbruch nicht stoppen konnten und sich in den Alkohol flüchteten, nutzte Putin aus. 2000 wird er Präsident und inszeniert sich als starker Mann. Ein russkij muschik ist verlässlich und als Patriot natürlich bereit, die Heimat zu verteidigen. Homosexualität lehnt der muschik ab, denn er "ist das Gegenbild des feminisierten, ergo schwachen westlichen Mannes, ja des Westens insgesamt". Als Beispiel für Sexismus in Russland erinnert Fischer daran, dass Putin Anfang Februar 2022 über die Ukraine folgende Vergewaltigungsmetapher nutzte: "Ob du es willst oder nicht, du wirst es hinnehmen müssen, meine Schöne." Seit 2014 wurde die Ukraine oft feminisiert und etwa als "Hure" diffamiert. Da wundert es nicht, wie Putin über Hillary Clinton spricht: "Vielleicht ist Schwäche nicht die schlechteste Eigenschaft einer Frau."
Im Corona-Bunker wuchs Putins Wut
Präzise skizziert Fischer Russlands Weg in die Autokratie. Die Proteste gegen Putins Rückkehr ins Präsidentenamt 2012 werden niedergeschlagen, die Pressefreiheit quasi beendet. Minderheiten werden schikaniert, Kritiker ermordet oder vergiftet. Das Jahr 2020 nennt Fischer ein annus horibilis für den Kontrollfreak Putin, der aus Angst vor dem Corona-Virus wochenlang quasi im Bunker lebte. Dort wuchs Putins paranoide Wut auf den Westen. Die Einschränkungen rund um Corona waren ein Test für die Kriegszensur.
Was folgt daraus für die EU? Fischer rät, zu Hause die liberalen Demokratien und die Wehrhaftigkeit zu stärken. Sie wirbt dafür, die Ukraine, Georgien und Moldau fit zu machen für eine EU-Mitgliedschaft - diese sei der wirksamste Schutz gegen Russlands Chauvinismus, den Populisten in Westeuropa nachahmen. Beim Wiederaufbau der Ukraine sollte Deutschland nicht nur auf Korruptionsbekämpfung bestehen, sondern die Menschen bei der Bewältigung der Kriegstraumata unterstützen. Denn diese Erfahrungen dürfen nicht zu einer "Remaskulinisierung" und zu einem neuen patriarchalen Gewaltzyklus führen.
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