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Neben unerreichbaren Schönheitsnormen und den Gefahren sozialer Medien werden realitätsnah und nüchtern Gegenwart und Vergangenheit beobachtet: die Bücher des Monats Mai. Die ausführlichen Rezensionen zu den Büchern finden Sie hier.
»Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht.« Als zufriedener Kunstbanause offenbart sich der Erzähler zu Beginn und berichtet davon, wie Carl, bewunderter Freund, ihn mit seiner Spitzweg-Begeisterung vom Gegenteil überzeugt. In der Mitte des Geschehens: eine Dreiecksbeziehung, ein hochbegabtes Mädchen und der verräterische Diebstahl eines Gemäldes. Durch raffinierte Rachepläne wird die Schülerfreundschaft auf ihre schwerste Probe gestellt.
Eine raffinierte Kritik an der Bildvergötterung der sozial verwahrlosten Digitalgesellschaft und ihrer allmächtigen Instagrammatik.
«Ein Mann sein» erzählt von den Zumutungen des Zusammenseins, wenn etwa eine jüdische New Yorkerin von ihrem deutschen Geliebten hören muss, dass er, achtzig Jahre früher geboren, vielleicht ein überzeugter Nazi gewesen wäre. Wenn eine Frau in der Wohnung ihres verstorbenen Vaters einem Unbekannten begegnet, der plötzlich ihr Leben dominiert. Oder wenn die junge Internatsschülerin von der Beziehung ihrer Mitschülerin mit einem älteren reichen Mann erfährt. In allen zehn Storys, geografisch weit gespannt von der Schweiz bis nach Japan, von New York bis nach Tel Aviv, erforscht Nicole Krauss die unkartierten, vielleicht unkartierbaren Regionen zwischen den Geschlechtern.
Im Jahr nach Tschernobyl wird die Ich-Erzählerin geboren, irgendwo in der Westdeutschen Provinz, als »Mischling aus meiner Mutter und meinem Vater«, wie es heißt. Doch die intakte Kernfamilie währt nicht lange: Der türkische Vater (so übergewichtig, dass man »fast nichts mit ihm machen kann, was mit Schwerkraft zu tun hat«) stirbt. Alleingelassen ergeben Tochter und Mutter eine toxische Mischung. Der Roman erzählt, wie ein Mädchen hinausfindet aus einer beschädigten Familienaufstellung hinein in eine düster-funkelnde BRD. Er erzählt von einem Großvater mit Loch im Hals, von Sommern in Istanbul, die nach zu heißen Elektrogeräten riechen und nach Anis; von Dingen und Menschen, die auf Nimmerwiedersehen aus dem Fenster fliegen. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die sich immer wieder verliert und wiederfindet, auseinanderfällt und neu zusammensetzt. Bei alldem bleibt der Vater ein Wiedergänger, der deutlich macht: Auch jemand, der fehlt, kann zu viel sein.
Ins Kleine drängt das Lebensgefühl bei stehender Hitze , wegschmelzendem Straßenteer und implodierenden Phones ohnehin. Und innensichtlich kleiner als bei Wolfram Lotz ist kaum möglich. Auf fast 1000 Seiten hat der Dramatiker nichts anderes aufgeschrieben, als das, was er zwölf Monate lang, beginnend im August 2017 gesehen, gehört, gefühlt, gedacht hat: Was seine Kinder, „E und O“ spielen (meist Lautes, „trötend und flötend“), wer so anruft, Thesen zu Peter Handke (gut-schlecht) oder Kendrick Lamar („Gut, ja“), Gedanken zum Gegenwartstheater (Verkörperungswahnsinn), die Taubengeräusche vorm Fenster („Chu chu chu“). Das Kompendium eines durchschnittlichen vor-Pandemie-Jahres, erlebt von einer mehr oder weniger durchschnittlichen Persona (Mittvierziger, Vater zweier Kinder, bildungsbürgerliches Kunstprekariat), aufgeschrieben in mäandernden Sätzen, die neue Fenster auch zur eigenen Welt öffnen: „Die Dinge werden ja niemals EINGEFANGEN, sondern im Schreiben zeigt sich nur das Verhältnis zu ihnen, MEIN.“ Beflissene und Nostalgiker lesen im Sommer Proust, alle anderen in diesem Jahr Wolfram Lotz.
Der Zugriff der Soziologie auf die Geschichte erfolgte von Anfang an über die Prägung robuster Prozessbegriffe wie etwa »Differenzierung« oder »Individualisierung«, die in Zeitdiagnosen bis heute eine zentrale Rolle spielen. Thematisiert wurde dabei jedoch selten, welchen geschichtsphilosophischen Ballast diese Begriffe mit sich führen, weshalb in jüngster Zeit einige von ihnen stark kritisiert worden sind. Wolfgang Knöbl analysiert, wie in verschiedenen Phasen der Disziplingeschichte - zumeist erfolglos - versucht wurde, historische Prozesse zu theoretisieren, und arbeitet heraus, welche erzähltheoretischen Einsichten die Soziologie aufzunehmen hat, wenn ihre Diagnosen ernst genommen werden wollen.
Mélanie war als junges Mädchen ein großer Fan von Formaten wie 'Big Brother'. Sie hatte stets davon geträumt, gesehen und berühmt zu werden. Jahre später, als Mutter zweier Kinder, ist es ihr gelungen: Sie ist eine erfolgreiche YouTuberin mit Tausenden von Followern. Objekt ihrer Videos und Posts sind ihre Kinder, die auf Schritt und Tritt gefilmt werden. Seit Kurzem kommt ihre kleine Tochter dem Filmen jedoch immer unwilliger nach. Mélanie tut das als eine Laune ab. Denn wie könnte man die unendliche Liebe, die ihnen aus dem Netz entgegenkommt, als Last empfinden? Kurz darauf verschwindet Kimmy nach einem Versteckspiel spurlos. Wie, fragt sich die ermittelnde Polizeibeamtin Clara, soll man einen Verdächtigen ausmachen bei einem Kind, das Tausende Menschen kennen und mehrfach täglich sehen? Schnell begreift sie, dass ihre Methoden der Ermittlung in der virtuellen Welt vollkommen nutzlos sind ...
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