Roman
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„Suite française“ von Irène Némirowsky ist das Buch, das mich in diesem Jahr nicht losgelassen hat, tagsüber nicht, und auch nicht in meinen Träumen. Gerade weil die 1903 in Kiew geborene jüdische Autorin sich selbst von dem Roman in einem halb fertigen Zustand trennen musste und es in einem Koffer versteckte, als sie im Sommer 1942 aus dem besetzten Frankreich nach Auschwitz deportiert wurde, wird sein Inhalt auf ewig untrennbar sein von ihrer Biografie. Was Némirowsky wagt, ist kühn: Sie erzählt nicht nur von den Schrecken der deutschen Besatzer in Frankreich, sondern auch von deren Wehmut und Verlorenheit, sie beschreibt also die Täter, die deutschen Soldaten, als Menschen.
Um nur wenige Wochen später, mit kaum 39 Jahren, selbst Opfer der Unmenschlichkeit ebendieser Soldaten im deutschen Konzentrationslager zu werden. Aber die Erzählkraft Némirowskys ist so bezwingend, dass man dennoch nicht anders kann, als dem Wahrheitsgehalt der Fiktion ihrer „Suite française“ zu vertrauen. Sie erzählt von dem verstörten Aufbrechen der alten Gewissheiten Frankreichs mit dem langen Atem der großen Russen, gerade so, als ruhte der barmherzige Blick Tolstois auf den verirrten Franzosen der Jahre 1940/41 und als schreibe sie nicht im Untergrund, aus der unmittelbaren Gegenwart der Flucht und der Angst, sondern aus der Sicherheit und der Weisheit einer Überlebenden. Doch überlebt hat nur dieses epochale europäische Buch.
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